edition unseld SV 2008 ISBN 978-3-518-26004-3
Hypnotische Trance und Meditation sind beides Bewusstseinszustände mit grossem Lernpotential vor allem im Hinblick auf die Selbsterforschung respektive das,was man mit dem «Selbst», seiner Wandelbarkeit und seiner Wechselwirkung mit seinem Umfeld meint. Beide werden zunehmend wissenschaftlich erforscht.Es gibt Überschneidungen und Unterschiede. Es ist kann darum für die Hypnotherapeutin und den Hypnotherapeuten interessant sein, das subjektive Erleben während meditativer Zustände und deren objektivierbare Korrelate unter Laborbedingungen kennen zu lernen. Es kann nicht schaden, darauf neugierig werden, inwiefern jahrtausendelang entwickelte und trainierte Bewusstseinszustände und die damit einhergehenden Fähigkeiten auch im hypnotherapeutischen Kontext fruchtbar sein könnten. In diesem gut lesbaren Büchlein, von gerade mal 134 Seiten, tauschen sich Matthieu Ricard als ehemaliger Wissenschaftler im Bereich Molekularbiologie und in der Zwischenzeit seit vielen Jahren in verschiedenen Meditationspraktiken des tibetischen Buddhismus erfahrener Mönch und der bekannte Hirnforscher Wolf Singer aus.Dabei geht es unter anderem darum, inwieweit wir Menschen unser Bewusstsein kultivieren können und somit auch um die Thematik des freien Willens als Möglichkeit der Beziehungsgestaltung zu uns selber und unseren Mitmenschen.
Wenn wir uns bewusst sind, dass unter Hypnose die Hirnfrequenz bekannterweise knapp über 7 Hz liegt,macht es neugierig,dass zumindest bei gewissen Zuständen von Meditation auch für Hirnforscher völlig überraschend das EEG durch eine viel höhere Hirnfrequenz von 40 bis 60 Hz im Gammabereich charakterisiert ist. Denn je höher die Frequenz, desto wacher der Geist und unter 7 Hz geht unser Hirn rasch in den Schlafmodus. Im üblichen Wachzustand pulsiert das Hirn im weiten Beta-Bereich zwischen 13 und 30 Hz und da müsste bei einer höheren Frequenz eine extreme Form von Wachheit und Klarheit herrschen und zwar bei gleichzeitig vollkommener körperlicher Entspannung. Wenn der Meditierende das «achtsame Verweilen in der Frische des gegenwärtigen Augenblicks» trainiert und dadurch vertieft, so ist dies sicher ein hochwillkommener Zustand, um mit den Widerwärtigkeiten des Lebens gelassen umgehen zu können.
Meditation kann u.a. als die Kunst bezeichnet werden, die Aufmerksamkeit langdauernd nach innen, auf intrapsychische Prozesse (Gefühle,Willensimpulse,Erinnerungen) zu richten und sie quasi mit einem «nach innen gerichteten Teleskop» zu erforschen. Interessant, wie ein durchtrainierter Meditationsathlet psychisch und physisch darauf reagiert, wenn er im Labor experimentell mit einem lauten Knall konfrontiert wird oder wie viel schneller er seine Aufmerksamkeit von sehr rasch hintereinander dargebotenen optischen Reizen jeweils lösen kann. Das Mentaltraining führt nicht nur zu einem gelasseneren Gemüt und Verhalten, sondern auch zu organisch fassbaren Veränderungen jenseits meditativer Zustände in Form einer Volumenzunahme in gewissen Arealen der Grosshirnrinde. Dies ist bei anderen, jahrelang eine Fähigkeit trainierenden Menschen wie z.B. bei Musikern bereits wohlbekannt. Meditationserfahrene scheinen willentlich und selektiv gewisse Hirnstrukturen aktivieren und somit auch kontrollieren zu können, wie z.B. Emotionen, seien dies nun Mitgefühl oder Ekel.
Laut Wolf Singer haben jetzt aber untrainierte Probanden im Scanner liegend durch praktisch zeitgleiche und jetzt («aussen herum») am Monitor bildhaft dem Bewusstsein dargebotene Aktivitätsäquivalente von Hirnarealen (z.B. Schmerz) ebenfalls die Chance, im Sinne des Neurofeedback rasch einen Kompetenzzuwachs in der Emotionsregulation erfahren zu können.Dank diesem Buch erhalten wir weitere spannende Hinweise darauf, dass wir Menschen unter geeigneten Bedingungen, sei dies in der Meditation und hier sicher partiell vergleichbar während therapeutischer Trance oder aber via Scanner, ein viel grösseres Potential der Selbstmeisterung im kognitiven und emotionellen Bereich haben respektive entfalten können. Die Frage bleibt nur, wann wir damit anfangen wollen.