(Anstelle der Fragen wurden Überschriften gesetzt. Der männliche Terminus steht auch für den weiblichen. Übertragung aus dem Englischen: H. Frick)
Die erste Generation Hypnotherapeutischer Arbeit, der traditionelle Weg, nutzte den autoritären Stil. Die implizite Annahme war dabei, dass der bewusste Geist des Patienten nicht sehr hilfreich sei und darum durch Hypnose quasi ausgeschaltet werden müsse. Die Trance diente somit dazu, den Verstand auszuschalten, ihn aus dem Weg zu halten.Gleichzeitig wurde bei dieser ErstgenerationenArbeit das Unbewusste als nicht sehr kreativ oder intelligent erachtet. Es erschien als etwas, das unterworfen und durch autoritäre Suggestionen so zu sagen programmiert werden sollte. Es ging quasi darum, positive Suggestionen, ausgehend vom bewussten Geist des Hypnotherapeuten, in den unbewussten seines Klienten einzupflanzen. Die wahrscheinlich wichtigste Einschränkung dieser Methode war, dass dabei die Ressourcen, die individuellen Erfahrungen, welche der Patient auf seinem bisherigen Lebensweg gesammelt hatte, nicht berücksichtigt werden konnten. Inkompatible Suggestionen können aber bekanntlich dadurch wieder aus dem System herausgeworfen werden, was als «psychologisches Immunsystem» bezeichnet werden kann.
Milton Erickson als Begründer der zweiten Generation von Hypnotherapeuten gelang ein radikaler Durchbruch. Er entwickelte einen völlig anderen Zugang zur Hypnose. Erstens sah er Trance nicht als etwas Künstliches an, nicht als etwas, was primär die Folge hypnotischer Suggestion, sondern als etwas, was Teil des natürlichen menschlichen Bewusstseins war. Zweitens erkannte er die hohe Kreativität des Unbewussten und drittens, dass jede Trance eine völlig individuelle und einzigartige Erfahrung jedes Menschen war.Diese Eigenheiten, die Einzigartigkeit des Unbewussten, seine Kreativität und die Natürlichkeit des Trancezustandes, bedeuteten den Shift von der ersten zur zweiten Generation. Und in dieser konnte sich der Therapeut nun auf das Unbewusste
Trotzdem, so denke ich, führte Erickson den Fehler der ersten Generation weiter, indem er das Bewusstsein seiner Patienten als im Wesentlichen nicht sehr intelligent und nicht als einen relevanten Mitarbeiter im Wandlungsprozess ansah. Aus diesem Grund benutzte Erickson Konfusionstechniken und Dissoziation.
Ich bin der Meinung, dass der Wandel, den die Patienten von Erickson durch seine Intervention erfahren konnten, nicht das bewirkte, was ich heute einen «Generative Shift» nenne. Ich wage dies aufgrund meines langjährigen Trainings mit Erickson resp. den vielen Patienten und Studenten zu sagen, welche ich in dieser Zeit erleben konnte. Zu meiner grossen Enttäuschung realisierte ich, dass sich bei der nächsten Lebenskrise oder beim Auftauchen des nächsten Problems herausstellte, dass das, was sie von Erickson gelernt hatten, in etwa Folgendes war: «Ich gehe in Trance und stelle mir vor, was Milton Erickson mir als Lösung vorschlagen würde». Das heisst, diese Menschen hatten in Bezug auf die Lösung von (zukünftigen) Schwierigkeiten nicht wirklich ihre ureigenen Fähigkeiten entwickelt. Anstelle dessen trugen sie eine idealisierte Präsenz des grossen Hypnotherapeuten Milton Erickson in sich.
Im Gegensatz dazu betrachten wir von der dritten Generation von Hypnotherapeuten das Bewusstsein erstens als hochintelligent und zweitens als etwas, was bei geeigneter Organisation zu einem grossartigen Mitarbeiter gemacht werden kann in dem Sinne, dass das Bewusstsein nun zum gleichwertigen Partner des Unbewussten mit gegenseitigem grossen Respekt wird. In der «Generativen Trance», wie ich die dritte Generation nenne, geht es zentral um die gegenseitige Bezogenheit des Bewusstseins auf das kreative Unbewusste des Patienten . Erickson war sich dieser Möglichkeit nicht voll bewusst. Eine Erklärung dazu ist sicher, dass er in einer ganz anderen Zeit lebte. Ich zweifle sehr daran, dass die Gesellschaft in der damaligen Zeit, in den 30-er, 40-er und 50-er Jahren, auf therapeutischer Ebene wirklich das erlaubt hätte, was heute möglich ist. Ich glaube, dass in der damaligen Zeit und Gesellschaft ein Geist herrschte, den man am besten als «Vater weiss es am besten» nennen könnte. Damals war die Vorstellung, dass in jeder einzelnen Person die Möglichkeit einer kreativen Intelligenz schlummerte, wenig verbreitet. Wenn ich also eine Hausfrau, ein Bäcker oder ein Arbeiter mit einem Problem war, so ging ich zum Arzt. Und der Arzt war allein derjenige, der über die nötige Intelligenz zur Problemlösung verfügte.Das hat sich in der Zwischenzeit geändert. In den Vereinigten Staaten herrschen heute sicher nicht mehr der gleiche Respekt und das Ansehen gegenüber Ärzten. Heute wird dem Patienten und seinen Bedürfnissen als einem gleichwertigen Mitarbeiter mit eigener Gesundheit und eigenem Heilungspotential viel mehr Wertschätzung und Achtung entgegen gebracht. Dieser kulturelle Shift erlaubte uns eine Wertschätzung im Sinne von «das Königreich Gottes ist in jedem Menschen». Mit anderen Worten, während wir früher davon ausgingen, dass der Therapeut alleine die Macht und die Kraft zum Heilen besass, realisieren wir zunehmend, dass der heilende Arzt eigentlich jeder Person innewohnt. Und dieser innere Heiler kann in jedem Menschen in individuellem Ausmass geweckt werden und das ist – in einfachen Worten – was die dritte Generation der Hypnose ausmacht, nämlich unseren Patienten zu lehren, ihren eigenen Milton Erickson zu entdecken.
Ich hatte um das 37. Lebensjahr herum eine Lebenskrise. Als ich das Studium bei Milton Erickson aufnahm, war ich 19 Jahre alt. Ich war der Arbeitsweise von Erickson sehr hingegeben und versuchte genau das zu tun was er tat. Ich habe lange Zeit gedacht, dass ich mich quasi mit einem Knopfdruck mit dem verbinden könne, was damals meiner Vorstellung vom Unbewussten entsprach. Mit 37 Jahren starb aber mein Vater und einen Monat später wurde meine Tochter geboren. Diese zwei entscheidenden und für mich hoch relevanten Erfahrungen bewirkten völlig unerwartet eine wichtige Veränderung. Damals verschloss sich ein Teil von mir, dem ich immer vertrauen konnte um in Trance zu gehen vollständig. Die Folge war eine ausgeprägte Verwirrung und Beunruhigung.
Ich besann mich aber damals der wesentlichen Ericksonianischen Idee, dass in dem, wo man schicksalhaft hineingeraten war, immer auch eine wertvolle Gabe verborgen sein könnte, sofern man in der Lage wäre, sich der Situation zu öffnen und zuzuhören und von ihr zu lernen. Es wurde mir damals klar, dass mein innerer Lehrer mich etwas lehren wollte. Plötzlich realisierte ich, dass ich meinen Vater verloren hatte, dass ich selber ein Vater geworden war und irgendwie daran war aufzuhören, Ericksons Sohn zu sein. Offenbar war die Zeit gekommen, meinen eigenen Weg zu gehen. Das Resultat war Self Relation.
Extrem komprimiert ist die Idee der Self Relation die bereits erwähnte resonante Beziehung zwischen dem Cognitive Self – was wir in der Hypnose das Bewusstsein, den bewussten Geist nennen – und dem, was ich den Somatic Mind nenne. Dieser «Body Mind» ist nach meiner Erkenntnis das wichtigste, aber nicht das einzige Unbewusste. Und wenn wir eine gute Beziehung zwischen diesen beiden Minds resp. Bewusstseins oder Selfs haben, entsteht etwas Drittes, das Relational Self, das Beziehungsselbst, was ich in der Zwischenzeit nun als Generative Self bezeichne. Dieses ist eine Art dritter Mind, welcher alle hilfreichen Aspekte der anderen beiden enthält plus die erst durch deren gegenseitige Bezogenheit entstehenden zusätzlichen Eigenschaften, welche ausgesprochen hilfreich in Bezug auf Kreativität, Heilung und Transformation sind.
Ein erster von drei Unterschieden zwischen Self Relation und der Ericksonianischen Hypnose ist, dass der Aufmerksamkeitsfokus wesentlich mehr auf die körperliche Erfahrung gerichtet ist. Die Erkenntnis, wie das Unbewusste somatische Phänomene erfährt, stammt teilweise von den Kampfkünsten, teilweise von anderen Psychotherapierichtungen. Es geht darum, dass wir uns bewusst werden, wie und wo genau ich Gefühle und Energie im Körper wahrnehme. Es ist das Gleiche, was für Gendlin der Felt Sense ist.
Zweitens ist Trance in der Self Relation auch ein nach aussen gerichtetes Phänomen. Sowohl in der ersten als auch in der zweiten Generation von Trance-Arbeit ist Trance etwas, bei dem man eigentlich die Augen schliesst und von der äusseren Welt weggeht. Was man aber in den Performance Arts wie zum Beispiel Aikido als Kampfkunst oder im Sport lernt ist, dass man mit geschlossenen Augen unweigerlich in Schwierigkeiten kommt. Was wir sowohl in den Performance Arts, wie z.B. beim improvisierenden Musizieren, als auch in der Self Relation erreichen wollen, ist ein hohes Kreativitätsniveau, wo wir diese spezielle, hellwache und gleichzeitig völlig entspannte Konzentration aufrecht erhalten, was auch mit der Bezeichnung «flow» gemeint ist. Und es hat sich gezeigt, dass die Erfahrungen im Rahmen der erwähnten Performance Arts andere Arten von Trancen sind, in welchen wir mit offenen Augen (und gleichzeitig in resonantem Kontakt mit unserem Körper) die Aufmerksamkeit in die äussere Welt richten können. Dadurch können wir Trance auf viel mehr Arten und Weisen und ganz unterschiedlichen Zusammenhängen erfahren, als dies üblicherweise im traditionellen Sinn geschieht. Diese körperbezogene Art der Trance ermöglicht es dem Therapeuten, für sich selber verschiedene Arten von Trance in unterschiedlichen Situationen zu nutzen. Die Wirkung ist, dass wir uns dadurch noch mehr mit unserem Patienten verbunden fühlen und überhaupt eine tiefere Beziehung zu dem entwickeln können, was gerade in der externen Situation geschieht und, dass wir gleichzeitig mit der Kreativität unseres eigenen Unbewussten besser verbunden sind. Nochmals, die Externalisierung der Trance ist der zweite Unterschied zwischen Self Relation und traditioneller Trance.
Der dritte und vielleicht wichtigste Unterschied ist das, was wir die «Internalisation der Ericksonschen Funktion» nennen können. Wie bereits erwähnt respektierte Erickson das Bewusstsein seines Patienten nicht wirklich. In der traditionellen Hypnose ersetzte sein Bewusstsein quasi dasjenige seines Patienten. Er sagte zwar, dass das Unbewusste sehr intelligent sei, aber er erklärte nicht, warum das Unbewusste sich erst dann derart kreativ verhielt, wenn er selber involviert war. Wenn das Unbewusste so brillant war, warum verursachte es dann so viele Probleme? Auf jeden Fall war Erickson darin ein absolutes Genie, sein eigenes Bewusstsein derart zu organisieren und zu strukturieren, dass es optimal mit den Mustern des unbewussten Geistes seiner Patienten kooperieren konnte.
Und an diesem Punkt stellt sich (erneut) die Frage, war es wirklich nur Erickson, der diese Fähigkeit hatte? Wenn ja, hätten alle anderen ein Problem, oder war es eventuell die Fähigkeit einiger weniger, quasi hoch trainierter «Priester», welche dazu befähigt waren? Auch das erscheint wenig befriedigend. Oder handelt es sich bei dieser Fähigk eit doch um etwas, was wir unsere Patienten selber lehren könnten, etwas was sie befähigen würde, selbständig eine Beziehung zu ihrem kre ativen Unbewussten aufzunehmen, um dadurch sozusagen ihr eigener Milton Erickson zu werden? Und das ist – unter geeigneten Bedingungen – nach meiner Erkenntnis ganz offensichtlich der Fall. Also diese «Internalisation der Ericksonschen Funktion», diese Fähigkeit, einer hilfreiche Konversation mit dem Unbewussten aufnehmen zu können, ist der dritte, wesentliche Unterschied zwischen traditioneller Trance und der Self Relation.
Wir haben in dem, was wir in der Self Relation als Feld bezeichnen, zwei Ebenen und die erste ist das dynamische Feld. Menschen handeln und erfahren immer in grösseren und unterschiedlichen Zusammenhängen. So ist der menschliche Körper ein Feld für die Gedanken, die Kultur ist ein Feld, die Familie ist eines, der Arbeitsplatz ein weiteres und auch die persönliche Geschichte ist ein Feld resp. ein Kontext, in welchem wir unser Leben erfahren. All diese Felder haben einen sehr intensiven Einfluss auf nser Bewusstsein. Diese Felder können aber auch sehr konservativ oder gar negativ und sehr einengend sein. Manchmal zieht es uns immer wieder in ein solches einengendes Feld zurück, zum Beispiel in den Bannkreis der Herkunftsfamilie, von wo aus nicht selten ein negativer Sog ausgehen kann.
Was wir mit unserem Bewusstsein aber machen können, ist unsere Aufmerksamkeit weit über das Feld oder die Felder hinaus zu öffnen. Wir Menschen machen das bereits spontan in alltäglichen Situationen, wo wir uns ausgesprochen wohl fühlen. So zum Beispiel, wenn wir Musik hören und sich d a bei unsere Au f m e rksamkeit, u n s e re Wachheit ausdehnt und öffnet. Und dann beginnen wir einen Raum wahrzunehmen, ein Feld sozusagen, in dem ganz unterschiedliche Muster, welche mit der Musik verbunden sind, aktiviert werden und ein erweitertes Bewusstsein ermöglichen, über das ursprüngliche Feld hinaus. Oder wenn wir uns in einer schönen Naturlandschaft aufhalten , können wir ein Gefühl des Wohlseins, eine Offenheit erfahren und nicht selten fühlen wir uns dann als Teil von etwas Grösserem. Das ist es, was ich mit «Feld» meine. Aber die meisten Menschen erfahren dieses Feld nur unter extrem positiven Umständen, so zum Beispiel, wenn wir frisch verliebt sind, oder wenn wir uns an einem speziell positiven Ort aufhalten.Wenn wir uns dazu aber zuerst verlieben müssen oder auf die nächsten Ferien warten müssen, sind wir von solchen (äusseren) Umständen abhängig.
Unser Bestreben in der Self Relation ist es, geeignete Bedingungen zu schaffen, unter welchen wir Zugang zu einem weiten offenen und positiven Feld von Wohlbefinden haben, auch wenn wir uns gleichzeitig in ungünstigen und negativen Umständen befinden. So zum Beispiel, wenn wir im psychotherapeutischen Rahmen ein Psychotrauma explorieren möchten oder wenn unsere Patienten in Angst und Panik verstrickt sind. Wäre es möglich, einen Zustand von Wohlbefinden zu erreichen und aufrecht erhalten zu können, in dem unsere Aufmerksamkeit eben weit über das Problem hinaus geht und wir gleichzeitig mit dem Problem in Kontakt bleiben können, so dass wir in diesem Raum des Wohlseins das Problem kreativ halten können? Genau darum geht es bei der Self Relation, nämlich dem Klienten Fähigkeiten zu vermitteln, seine Aufmerksamkeit über sein Problem hinaus aufrecht erhalten zu können, so dass er selber und das Problem ein Teil von einem grösseren, kreativen Ganzen werden kann.
Anstelle des Wortes Hypnose brauche ich heute die Bezeichnung Self Relation. Trance ist sehr verschieden von Hypnose. Trance ist – wie bereits erwähnt – eine natürliche Erfahrung jedes Menschen, welche die Antwort auf gewisse Umstände ist. Hypnose hingegen kann als soziales oder psychologisches Ritual bezeichnet werden, welches im Westen das Gefäss darstellt, in dem die natürliche Erfahrung von Trance gestaltet werden kann. Was ich meine ist sehr verschieden vom traditionellen Begriff der Trance resp. Hypnose. Dieser meint, dass Trance ein Artefakt einer Suggestion und, dass Trance die Folge von Hypnose ist. Die bessere Formulierung ist, dass Trance nicht eine Folge von Hypnose sondern Ausdruck des natürlichen Lebens ist. Hypnose ist lediglich der menschliche Kontext, im dem Trance therapeutisch genutzt werden kann. Leider ist mit dem Wort Hypnose sehr viel Negatives verbunden, z.B. die Vorstellung, dass menschliche Erfahrung von aussen kontrolliert werden kann. Auch wenn diese Kontrollversuche auf phänomenale Art geschehen würden, sind sie in ihrer Wirkung doch sehr beschränkt gerade in Bezug auf die Nutzbarmachung individueller menschlicher Kreativität. Wir können das Wort aber anders gebrauchen – ich denke, das hat Erickson so versucht – indem wir von einer hypnotischen Technik sprechen, welche die Erfahrung des Patienten umfasst und gestaltet. Erickson pflegte zu sagen, dass man als ein Therapeut den Luxus einer Theorie nicht habe. Wir können ergänzen, dass wir den Luxus einer fixen hypnotischen Technik nicht haben. Wir versuchen ressourcierende Rahmenbedingungen, einen Safe Place zu schaffen, darin die psychobiologische Erfahrung, welche Trance ist, ihre heilende Wirkung entfalten kann.
ch würde mir niemals anmassen, beurteilen zu können, was C. G. Jung – dessen Rotes Buch ja demnächst erscheinen wird – von Self Relation resp. Generativer Trance wohl profitierten würde. Ich habe in meiner Praxis zwei grosse gerahmte Fotos, eines zeigt Erickson und das andere Jung. Meiner Meinung nach war Jung ein grosses Genie. Was wir heute rückblickend würdigen müssen ist, dass uns Therapeuten vor 100 Jahren noch nicht die verfeinerten und wirkungsvollen psychotechnischen Verfahren zur Verfügung standen, wie sie sich in der Zwischenzeit entwickelt haben. Die damaligen grossen Pioniere hatten (für sich selber) aber mit ihren grossartigen und mutigen Ideen ganz erstaunliche Durchbrüche. Was sie hingegen nicht hatten, waren entsprechende Methoden, mit welchen sie ihren Klienten zu ähnlichen Erfahrungen verhelfen konnten. Zudem profitieren wir heute von vielfältigen Veränderungen auf kultureller Ebene, welche sich in den vergangenen Jahren ergeben haben. Was wir heute in therapeutischer Hinsicht machen können, wäre damals weit jenseits dessen gewesen, was erlaubt gewesen wäre. Dies betrifft zum Beispiel die vielfältigen Gefühle, welche wir unseren Klienten ermöglichen können, überhaupt die verschiedenen Veränderungen, zu denen wir unsere Patienten heute ermutigen können. Vor 100 Jahren wäre dies schlicht unerwünscht resp. unangebracht gewesen. Darum habe ich vor diesen Pionieren grossen Respekt. Denn erst in der Zwischenzeit haben wir psychologische Techniken entwickelt, welche uns erlauben, unsere Patienten in eine Verbindung mit ihrem Inneren, mit ihrem Körperselbst zu bringen, um einen kognitiven inneren Dialog kreativ zu gestalten. Heute sind wir in der Lage, auf vorsichtige und geschickte Art und Weise den kreativen Raum jenseits des individuellen Bewusstseins zu öffnen. Genau dies ist gegenüber früher ein bemerkenswerter Fortschritt. Zweifellos würden die heutigen Techniken, angewendet auf Jungs Erkenntnisse vor 100 Jahren, Jungs Werk einen neuen Impuls geben. Ich bin wirklich sehr neugierig auf das Rote Buch, wie viele andere auch. Das was er tat, was Erickson tat und ansonsten nur noch wenige getan hatten war, dass er sich sehr mutig einer Reise zum Unbewussten geöffnet hatte.
Und damit benenne ich, was in diesem Interview bereits angeklungen ist. Jungs Arbeit mit seinen Patienten war eben nicht primär auf der intellektuellen Ebene. Er war ein aktiver Teilnehmer auf der Reise mit seinem Patienten durch das kreative Unbewusste. Ich denke, dass das Rote Buch wahrscheinlich Einblick in diese Selbsterfahrung Jungs ermöglichen wird. Auch Ericksons erste Erfahrungen mit Trance waren Erfahrungen mit sich selber. Und was wir von Jung und Erickson lernen können st, unseren Patienten zu vermitteln, dass sie ihrem eigenen unbewussten Geist ve rtrauen können, dass wir bei sorgfältiger, geschickter und nicht rücksichtsloser Art und Weise von unserem Unbewussten lernen können und, dass wir auch selber (als Therapeuten) diesen Zugang in unserem täglichen Leben üben. Wenn wir das wirklich selber können, sind wir auch ethisch und moralisch in der Lage, diese Idee unseren Patienten auf eine Art und Weise zu vermitteln, welche Wandlung ermöglicht.
Durch meine Adern fliesst zuviel irisch-katholisches Blut, um nicht allzu optimistisch zu sein. Was ich aber wirklich erkannt habe ist, dass das Leben in sich unendlich viele Möglichkeiten birgt und, wenn wir es wirklich wollen, wir uns diesen Möglichkeiten auch öffnen können. Wir werden dann immer wieder und von neuem überrascht sein, wie viel mehr in uns und im Leben selber schlummert, als wir es je für möglich gehalten hätten.
Und zweitens gründet sich meine Hoffnung auch darauf, dass es für mich nicht selbstverständlich war, auf diese Art wahrzunehmen und denken zu können. Ich komme von einer sehr depressiven Familie. Aber auf eine hoffnungsvolle Art und Weise zu leben, ist sehr viel belohnender, als das Gegenteil in Form eines pessimistischen und engen Denkens. Denn der Weg des geringsten Widerstandes wird aufgrund meiner Erfahrung zum Weg des geringsten Schmerzes. Wie auch viele andere Menschen, habe ich früher den anderen Weg beschritten. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Leben schlicht unerträglich wird, wenn ich es in einer engen, ängstlichen und zornigen Art und Weise lebe. Ich strenge mich an, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und im Zusammenhang damit habe ich von Erickson gelernt, dass ich jeden Tag etwas Neues lernen kann. Wir alle wissen, dass Leiden und Schmerz im Leben unausweichlich ist, es ist ein Teil von uns. Dieses Leiden ist aber unter geeigneten Bedingungen nicht nur aushaltbar, wir können in einer erweiterten Wahrnehmung erkennen, dass das Leiden nicht das Zentrale im Leben ist. Das Wichtige im Leben ist Glück zu erfahren indem wir dieses unglaubliche Wunder, welches das Leben schlicht ist, ein geheimnisvolles Geschenk, einfach annehmen und geniessen, so wie es ist.