Heini Frick: Georg, du hast in deinem Leben sehr viel Selbsterfahrung gehabt und insbesondere Grenzerfahrungen gesucht,wir dürfen in diesem Curriculum reichhaltig davon profitieren. Darum die Frage, inwiefern hat deine Selbsterfahrung deine Einstellung zum Leben verändert?
Georg Milzner: Dazu muss man, glaube ich, verschiedene Dinge sagen. Das erste davon ist, dass die wichtigsten meiner Selbsterfahrungen nicht im psychotherapeutischen Ausbildungskontext stattgefunden haben, sondern auf persönliche Motivationen zurückgingen. Das waren dann psychische Reisen, Expeditionen, wenn du so willst, und Reisen verändert einen Menschen natürlich. Um gleich auf Grenzerfahrungen zu sprechen zu kommen: Ich fand zum Beispiel, dass auch Erfahrungsräume sich auftaten, von denen ich ursprünglich gedacht habe, ich könne sie nie betreten. Hierzu zählte im Zusammenhang mit meinen Trance-Experimenten zur Psychose auch das Abgleiten in Zonen des Wahnsinns, von denen ich nicht geglaubt hätte, dass man – ich – ihnen so nah kommen könnte. Bei anderen Bewusstseinserfahrungen stösst du auf Potentiale, von denen du zum Zeitpunkt ihres Auftauchens noch gar nicht weisst, was du mit ihnen anfangen sollst. Hierzu zählt das, was sich aus den Möglichkeiten luzider Wahrnehmung ergibt. Die Welt spricht plötzlich, man könnte sagen, vielstimmiger. Das macht dann einerseits skeptischer gegenüber der eigenen Wissenschaft, die plötzlich unzureichend erscheint. Und das befreit den Geist in gewisser Weise. Andererseits kann man sich in der Folge leicht als einsamer erleben, weil die Austauschmöglichkeiten über das Erlebte geringer werden. Und wenn du dann vielleicht Bestätigungen für deine neuartigen Wahrnehmungen suchst, dann kann dich das in esoterische Zirkel führen, para-wissenschaftliche Gruppen, die wieder neue künstliche Sicherheiten erzeugen. Wenn du also fragst, wie sich meine Einstellung zum Leben verändert hat, dann würde ich das hieran festmachen: Je einschneidender die Erfahrungen sind, die du machst, desto weniger wirst du sie teilen können.
Gibt es da so etwas wie eine Gesetzmässigkeit im Bereich dessen,was du «Bewusstseinsreisen» nennst?
Man kann tatsächlich, wenn man auf der Bahn dieser Erfahrungen bleibt, in so eine Art Spannungsfeld eintreten, wo man die Sicherheiten, die man gewohnt war wahrzunehmen hinter sich lässt, und eine Art, nennen wir’s mal «Entdeckungsfahrt» beginnt. Wie diese verläuft, das bestimmt man dann wirklich nicht mehr selbst, so wenig wie man bestimmt, wo ein Dschungel oder eine Wüste anfangen und aufhören.
Diese Metaphern legen nahe, dass du Bewusstsein nicht unbedingt als individuell,womöglich auch nicht als Teil des Gehirns begreifst. Ganz richtig, das tue ich nicht. Und was geschieht mit einem, der sich auf solche Entdeckungsfahrten begibt?
Das Verhältnis, das man auf einer Entdeckungsfahrt zum Leben gewinnt, ist wieder äusserst ambivalent. Es ist spannend und ungeheuer dicht, aber du verlierst auch deine Naivität und gewinnst wohl gelegentlich auch eine gewisse Schwärze hinzu. Früher habe ich zum Beispiel mal gedacht, man könnte alles integrieren, das ist ja so ein grosses psychotherapeutisches Credo, das auf Fritz Perls zurückgeht. Daran glaube ich heute nicht mehr. Auf der anderen Seite werden aber die Tiefe und die Leidenschaft, die sich mit dem Leben verbinden, immer dichter und intensiver.
Hat dieser Prozess der Selbsterfahrung mehr mit Entwickeln von unentdeckten Potentialen oder mehr mit Loslassen von Illusionen in Bezug auf sich selbst zu tun?
Ich glaube, man kann die Entwicklung von Potentialen nicht sehen, ohne anzuerkennen, dass es auch so etwas wie Bahnen gibt, auf denen wir uns bewegen. Es gibt eine Freiheit des Geistes auf der einen Seite und es gibt Leitbahnen auf der anderen Seite. Eine Ambiguität also, die über die Beengtheiten der Willensfreiheit-Debatte weit hinausreicht. Und ich glaube, nur wenn man beide Dinge wahrnimmt, wenn man die Freiheiten und die vorgezeichneten Bahnen wahrnimmt, kommt man dem Leben in seinen Verdichtungen wirklich näher. Also Entwickeln und Loslassen, das eine geht nicht ohne das andere.
Welcher Stellenwert kommt für dich der Hypnotherapie in Bezug auf den Individuationsprozess, wie ihn C.G. Jung genannt hat, zu?
Ich hatte immer die Hoffnung, dass die Hypnotherapie als Angebot der Tranceheilung auf eine eigene Weise an Jung anknüpfen würde. Damit ginge dann die Weiterentwicklung dessen, was wir seit Jung an Modellen vom Unbewussten haben, einher. Jede Selbsterfahrung, jeder Individuationsprozess hat ja mit diesen Zonen des Unbewussten elementar zu tun.
Und wie siehst du die Selbsthypnose, die Trance als Medium auch im therapeutischen Kontext in Bezug auf die Selbsterfahrung?
Als ganz unverzichtbar. Aber ich benutze das Wort «Selbsthypnose» nicht mehr gern, es hat so etwas von mentalem Training und Autosuggestion bekommen. Was ich meine, ist eher der Selbstkontakt in Trance und damit das «Einsinken» in das eigene Unbewusste. Und die Rolle der Trance besteht darin, diesem Unbewussten bewusst näher zu kommen – ein Scheinwiderspruch, der ein riesiges Potenzial umschreibt. Was die Rolle der Trance im therapeutischen Feld angeht: Ganz grundsätzlich ist die Hypnotherapie ja die westliche Entsprechung des Heilens mit veränderten Bewusstseinszuständen. Formen hiervon gibt es überall, da findet jede Kultur ihr eigenes Zugangsinstrumentarium, und das Entscheidende dabei ist bloss, dass man das Spektrum des Bewusstseins auch tatsächlich zum Heilen nutzt und nicht, was eine Gefahr der Hypnose bis heute ist, als manipulativen Technikbaukasten. Die grösste Gefahr ist, dass die Hypnotherapie über kurz oder lang – in Deutschland ist das schon recht weit gegangen – an bestehenden Therapieformen andockt. Damit nämlich verliert sie das grosse Potential des – nennen wir es mal «Bewusstseinsheilens » – schlagartig. In Deutschland wird vieles von der Hypnotherapie inzwischen unter Imaginations-Techniken in die Verhaltenstherapie mit aufgenommen. Und das kann ich in vielen Fällen belegen – es sieht dann zwar gleich aus, aber es wirkt anders. Die behandelte Person kommt in solchem Kontext nicht mehr einer tiefen Dimension von sich selbst näher, sondern sie wird einfach nur vordergründig funktionaler. Wenn man die Hypnotherapie also sehr ernst nähme, dann müsste sie ihre Sonderstellung behalten und dürfte nicht aufgehen in Systemen, bei denen es natürlich angenehm ist, wenn man Kostenerstattungen und Patientenzuweisungen durch Krankenkassen bekommt. Aber der Substanzverlust ist im Andocken an die Verhaltenstherapie so erheblich, dass ich da von echter Hypnotherapie nicht mehr reden würde.
Du hast in zwei Büchern über grenzüberschreitende Selbst-Erfahrungen in Seelenlandschaften berichtet, die alles andere als angenehm, sondern erschreckend und verstörend waren. Sind solche Erfahrungen als latentes Potential in jedem Menschen angelegt und somit zugänglich? Ist dies für uns eine latente Gefahr, in anderen Worten, gibt es das Böse in uns?
Ich beginne mit dem letzten Teil deiner Frage. Wenn du wissen willst, ob ich glaube, dass es so etwas wie «das Böse» gibt,dann beantworte ich das emotional und sage: Ja, ich glaube gewiss, dass es das gibt. Und ich glaube auch, dass nicht alles Böse so erklärbar ist, wie es die psychotherapeutischen Schulen immer wieder versucht haben. Das, was wir «das Böse» nennen, scheint mir eine Grundkraft in der Welt zu sein, kein zwangsläufig zu uns gehöriger Stoff also und auch keine integrierbare psychische Funktion, die nur in den richtigen Zusammenhang gehörte, sondern Teil eines Grundantagonismus der Welt, der nicht aufzuheben ist, solange es diese gibt. Klar ist aber, dass dieses «Böse» mit Bewusstseinszuständen erst einmal gar nichts zu tun hat. Die zum Beispiel, die wir heute «Psychopathen» nennen, sind den Zonen des «Bösen» oft eher zugeneigt, aber sie haben dabei wenig Potenzial zum Erreichen extremerer Bewusstseinzustände. Was nun unser Erkenntnispotenzial angeht: Man kann den dunklen Zonen des Menschseins selbst durch Bewusstseinsreisen näher kommen, kann zum Beispiel in einen trancegeleiteten Nachvollzug dessen kommen, was in einem Gewalttäter vorgeht. Trancen dieser Art haben mich überzeugt davon, dass die, die wir als brutale Täter kennen, als Satanisten zum Beispiel, eine regelrechte Abkopplung von dem haben, was wir sonst als umfassende Identitätserfahrung kennen. Einen glücklichen «Bösen», das gibt es nicht. Und das Verhältnis der Psychose zu solchen dunklen Zonen, wie sieht es damit aus? Das Psychotische nähert sich nicht zwangsläufig nur dem Destruktiven oder dem Dunkeln an, sondern es nähert sich den Grenzzonen der Psyche generell an. Meine Sicht von Psychose ist die, dass sie so etwas wie verschobene Gipfelerfahrung bedeutet. Psychose und Gipfelerfahrung gehören beide in den Kontext der Ausnahmeerfahrungen. Eine Ausnahmeerfahrung definiere ich als eine Erfahrung, bei der das Ich seine Funktion als Souverän der Psyche verliert. Im Zusammenhang mit diesem Verlust können wir beispielsweise eine spirituelle Öffnung erfahren oder eine künstlerische Beseelung oder so etwas wie eine schamanische Erfahrung. Wenn man ein bisschen zu weit über diesen Punkt hinaus geht, dann wird es allerdings heikel, denn hier ist die Erfahrung zwar nicht weniger dicht, das Potential aber schon wieder geringer. Und nun können wir das nicht mehr, was der religiöse Führer kann, nämlich seine Offenbarung vermitteln, sondern jetzt reden wir Dinge, die keiner mehr versteht und die darum auch keinen überzeugen und uns grenzenlos einsam machen: Das ist das, was wir eine Psychose nennen.
Wenn wir also die Grenze überschreiten und die Ich-Grenzen sich auflösen, kommen wir dann deiner Erfahrung nach in Kontakt mit kollektiven Inhalten, oder ist das Psychotische eher etwas, das auf das Individuum begrenzt ist? Und wie sieht es mit dem Potenzialcharakter dieser Erfahrungen aus?
Also, das Psychotische würde ich nicht als Potential ansehen. Das Psychotische ist eher der Punkt, wo das Potential schon wieder verloren geht. Die Kunst ist, auf der Nahtlinie zwischen sozialem Konsens und psychotischer Vereinzelung immer wieder zu balancieren. Das ist aber ungeheuer schwierig, sich so zu halten, dass man einerseits die Ziele der aufsteigenden Psyche wahrnimmt und andererseits mit der Welt selbst noch kommunizieren kann. Dies Letztere geht dem Psychotiker ja gerade verloren, er kommuniziert mit der Welt ja nicht mehr so, dass er sich wirklich mitteilbar macht, sondern er kommuniziert so, dass er seine Erfahrung nicht mehr vermitteln kann und deswegen für verrückt wahrgenommen wird. Wenn man jetzt fragen würde und wissen wollte, kommt man in einer Psychose näher an etwas Höheres oder an etwas Tieferes heran, dann würde man wahrscheinlich sagen müssen, dass man sich durchaus daran anzunähern vermag, selbstverständlich. Nur ist die Unterscheidung zwischen «hoch» und «tief» hier sehr schwer durchzuhalten, wie man am Beispiel der archetypischen Erlebnisform gut sehen kann. Archetypen wirken ja eher aus dem Urgrund heraus und leiten oft auch das, was scheinbar alltäglich ist, Liebeskonflikte und Trennungen beispielsweise, Konflikte überhaupt bis hin zu den Kriegen der Völker. Nur in Ausnahmefällen leiten sie in Gelände hinein, die sich dem spirituellen Raum wirklich nähern, dem Göttlichen vielleicht nicht zwangsläufig, aber dem Numinosen. Ich mache im Moment eine Reihe von – Experimenten ist vielleicht zu viel gesagt und es ist auch noch zu früh um das Ganze zu publizieren – nennen wir es mal Erfahrungen. Erfahrungen, die man der Bewusstseinsforschung zuordnen könnteund mit denen sich experimentieren lässt. Hierzu gehört zum Beispiel eine veränderte Traumarbeit. Ich analysiere Träume dabei nicht mehr, arbeite auch weniger mit hypnotherapeutischen oder hypnoanalytischen Methoden am Traum. Sondern ich versuche, Trauminhalte phänomenal, von den Phänomenen her also anzugehen. Das bedeutet unter Umständen, wenn in Träumen bestimmte Muster der Welt auftreten, die Entsprechung dieser Muster nicht in mir, sondern in der Welt zu suchen. Natürlich funktioniert das nicht mit jedem kleinen Alltagstraum. Aber mit dem, was man «grosse Träume » nennt, wird es interessant. Ich gebe dir ein Beispiel. Vor mehreren Jahren träumte ich von einem Turm auf Malta, den ich niemals zuvor gesehen hatte, da ich auch auf Malta zuvor nicht war. Ich habe es dann erstmals so gemacht, dass ich diesen Turm nicht als Symbol behandelt habe, sondern tatsächlich wie eine Eingebung – das heisst, dass ich ihn auf Malta suchen gegangen bin. Und bevor du die Frage stellst – ja ich habe ihn gefunden! Und die Trance, in die ich durch die Begegnung mit diesem Turm fiel, hatte fast eine religiöse Qualität, ziemlich irre.
Wenn wir Bewusstsein entwickeln möchten, so ist die Sphäre des Unbewussten ja immer mit dabei. Und in diesem schlummern bekanntlich ungeahnte Potentiale. Warum stellt sich eigentlich dieses Unbewusste mit seinen Inhalten, mit seiner Weisheit nicht automatisch in den Dienst des Bewusstseins?
Ich glaube nicht, dass es sich dabei nur um Weisheit handelt. Und es ist ja auch sehr schwer, das Unbewusste wirklich zu vermessen: Versuchsweise würde ich drei Zonen unterscheiden: Ein Unbewusstes in uns, ein Unbewusstes eher über uns – nicht unterbewusst also, sondern tatsächlich überbewusst, und dann noch ein Unbewusstes ausser uns. Dies aber, dies Ausserbewusste, schafft möglicherweise Kommunikationslinien mit Phänomenen, denen gegenwärtig noch mit Worten sehr schwer beizukommen ist. Das Unbewusste was wir unterbewusst nennen, das gewachsene Unbewusste in uns, das wovon auch Jung spricht, enthält dagegen neben individuellem Material auch zum Beispiel die archetypischen Strukturen, die jeweils sehr verschiedene Seiten haben. Sie haben sehr lichte Züge, sie haben aber auch rabenschwarze Züge. Diese Inhalte des Unterbewussten sind also keineswegs nur weise, sie sind auch äusserst destruktiv. Ich schliesse gegenwärtig gerade eine Arbeit ab, die mit der Entartung dessen was man «Deutschen Geist» nennt, im Nationalsozialismus zu tun hat. Da sind ebenfalls archetypische Muster am Werk, was zum Beispiel bei C.G. Jung selbst sehr deutlich zu erkennen ist. Jung, der sich ja einer deutschen Gesamtkultur durchaus zurechnete und seine Psychologie von der jüdischen (damit war natürlich Freud gemeint) scharf abgrenzte, ist einem bestimmten Archetypus, den er im germanischen Gott Wotan wirksam fand, ja komplett aufgesessen. Und dies, als er noch glaubte, das Wirken dieses Archetypus zu analysieren. Er hat ihn da aber längst schon nicht mehr analysiert, er war bereits von ihm gepackt und hat dann zu diesem Thema auch mächtigen Unsinn geschrieben.
ine andere Grenzerfahrung sind Nahtoderfahrungen, die sind ja nicht immer positiv. Wie ordnest du diese ein, was erfahren wir dabei? Vor kurzem ist mir eine Patientin begegnet, welche anlässlich einer Reanimation vor einigen Jahren ein horrormässiges Nahtoderlebnis mit seither bestehender Angststörung erlitt.
Ich habe mir da eine Regel gemacht und die halte ich immer ein. Ich lasse Erfahrungen immer voll so gültig wie sie sind. Neurophysiologische Erklärungen helfen, glaube ich, bei Nahtod-Erfahrungen überhaupt nicht weiter, so wenig wie bei anderen Prozessen übrigens auch. Was ich allerdings nicht glaube ist, dass eine Nahtod-Erfahrung etwas über die Nach-Tod-Erfahrung aussagt. Das ist wohl ungefähr der Unterschied zwischen etwas im Mund halten und etwas schlucken. Und so glaube ich nicht, dass jemand etwas über das Nach-Dem-Sein aussagen könnte, weil er eine Nahtod-Erfahrung hat. Wohl aber kenne ich einige Menschen, die durch ihre Nahtod-Erfahrung der eigenen Sinngebung erheblich näher gekommen sind. Das hat aber wohl auch etwas damit zu tun, dass die Bedrohung durch den Tod ein Gefühl für die Kostbarkeit, die Einzigartigkeit und die Aufgabenstellung des Lebens mit sich bringt.
Kannst du uns abschliessend noch etwas zu deinem neusten Buch und deinen laufenden Projekten verraten?
ch interessiere mich im Augenblick sehr dafür, wie das Unbewusste von Völkern und Nationen wirkt, weil ich glaube, dass Psychotherapie, ernst genommen, immer auch eine gesellschaftsverändernde Funktion besitzt. Die erste Arbeit die ich hierzu machte und die kürzlich als Buch erschien, untersuchte die Rolle unbewusster Bilder im modernen Amoklauf. Sie kam zu dem Schluss, dass das darin wirksam Urbild ein amerikanisches ist, der einsame Rächer nämlich, der im modernen Amokläufer auf verzerrte Weise wiederkehrt. Mein aktuelles Buch hat den Titel «Zwischen Wartburg und Wewelsburg». Es beschäftigt sich mit der Frage, wie ausgerechnet die tieferen Denker und Dichter der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts, also zum Beispiel C.G. Jung,Martin Heidegger und Ernst Jünger, für den Nationalsozialismus so anfällig werden konnten. Da muss ja irgendetwas sein, was ausgerechnet diese auf Tiefe angelegten Intellektuellen ansprach, und ich versuche zu ergründen, was das war. Um dieses «Deutschlandbuch » zu beginnen, da musste ich wohl 47 werden, vorher hätte das keinen Zweck gehabt. Ja, und dann folgt ein grosses Projekt, nicht unbedingt ein Buch, das heisst als Arbeitstitel «Neue Bilder vom Unbewussten». Die Grundannahme ist dabei die, dass das Unbewusste heute insgesamt neu vermessen werden muss; weil die alten Muster und Konzepte vom Unbewussten nicht mehr ausreichen um das, was gegenwärtig an Erfahrungen möglich ist – auch durch den kulturellen Austausch – noch zu fassen. Das betrifft die Hypnotherapie natürlich sehr, allerdings eine bestimmte Idee von Hypnotherapie. Bei diesem Projekt beziehe ich erstmals auch aussersinnliche Erfahrungen mit ein, ich werde da auch von der Reise nach Malta sprechen, von der eben schon die Rede war, sowie von einer recht erschütternden Reise nach Jerusalem. Weitere Reisen und Ergründungen neuer Bilder vom Unbewussten stehen demnächst an. Zu welchen Ergebnissen das führen wird, weiss ich nicht. Bis jetzt würde ich mich noch nicht trauen, das alles zu veröffentlichen, aber irgendwann, glaube ich, wird es so weit sein.
Abschliessende Frage, hast du Hoffnung für die Menschheit?
Niemand wird auf Dauer Therapeut sein, der keine Hoffnung hat; das wäre nämlich ganz einfach ein schlechter Therapeut. Sagen wir mal so: Wenn es gar keine Hoffnung für die Menschheit gäbe, wäre die Menschheit wohl schon nicht mehr da. Ich glaube, dass die Natur selbst eine solche Erhaltungstendenz hat. Und da ist so etwas wie eine ursprüngliche Schöpferkraft, die es vereinfacht gesagt, schon irgendwie richten wird. Aber wahrscheinlich vertraut sie dabei auch auf menschliche Verantwortung.
Lieber Georg, vielen Dank für dieses Interview!